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Im Fokus: Gericht stärkt Schutz Betroffener von überholter Berichterstattung in online-Archiv

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Negative Pressearchivbeiträge: LG Düsseldorf stärkt Rechte Betroffener

Geposted am von Rechtsanwalt Rüdiger Bodemann

Kürzlich hat das Landgericht Düsseldorf in einer Entscheidung die Rechte aller Betroffenen gestärkt, die sich gegen negative Online-Archivbeiträge zur Wehr setzen, weil die Archivbeiträge längst ihre Aktualität verloren haben. Im Urteil vom 18.07.2012, Az.: 12 O 239/11 hat es den Beklagten, ein Presseunternehmen, verurteilt, bestimmte Behauptungen in einem in seinem online Archiv abrufbaren Bericht weiter zu verbreiten, wenn es nicht bestimmte Ergänzungen hinzusetzt, die eine Aktualisierung bewirken würde. Der Fall: Die Zeitung berichtete über ein Unternehmen, dem nachgesagt worden war, zu dubiosen Spenden aufgerufen zu haben und dass die Staatsanwaltschaft diesbezüglich ermittele. Nicht mehr berichtet hatte die Zeitung dann darüber, dass die Staatsanwaltschaft später das Verfahren mangels Vorliegens eines Tatverdachts eingestellt hatte. Der Kläger hatte aussergerichtlich fruchtlos versucht, die Zeitung zu einer Anpassung des ihn kreditschädigenden Berichts auf die aktuelle Sachlage zu bewegen.

Wenn Grundrechte miteinander kollidieren, müssen sie gegeneinander abgewogen und ausbalanciert werden. Die Verdachtsberichterstattung, also der Bericht über ein laufendes Ermittlungsverfahren in Funk & Fernsehen, Printmedien oder online-Presseseiten, ist ein Schulbeispiel hierfür.Auf der einen Seite stehen die Meinungs- und Pressefreiheit der Medien, die in der Bundesrepublik Deutschland aus gutem Grunde weit ausgelegt werden. Rechnung getragen wird dabei dem Informationsinteresse der Bevölkerung.

Auf der anderen Seite steht das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Es ist schon unangenehm genug, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt. Wenn nun auch noch die Presse über das Ermittlungsverfahren berichtet, möglicherweise auch noch unter Nennung des Namens des Betroffenen, können die Folgen verheerend sein. Mag die Unschuldsvermutung auch eine tragende Säule des Rechtsstaats sein; weite Teile der Bevölkerung denken sich: "Da wird schon was dran sein."

Dass der Betroffene im Regelfall die Verdachtsberichterstattung - gegebenenfalls sogar unter Nennung seines Namens - hinzunehmen hat, ist seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung. Fest steht auch, dass eine frühere, presserechtlich einwandfreie Verdachtsberichterstattung rückwirkend auch nicht dadurch rechtswidrig wird, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass zu Unrecht gegen den Betroffenen ermittelt wurde.

Eine Besonderheit ergibt sich in Zeiten des Internets nun aber dadurch, dass einige Presseorgane ein Online-Archiv vorhalten, das möglicherweise sogar öffentlich zugänglich ist. Ist - auch und gerade durch den Einsatz von Suchmaschinen wie zB. google - festzustellen, dass ein Archivbericht durch die nachträgliche Änderung der Umstände als überholt und nicht mehr vollständig erscheint, und drohen dem Betroffenen angesichts der Breitenwirkung und des Aktualität suggerierenden Seitenlayouts erhebliche negative Konsequenzen, so kann für den Betroffenen ein Anspruch auf Änderung bzw. Ergänzung des Archivbeitrags bestehen. Denn bei dieser Sachlage kann eine Abwägung der kollidierenden Grundrechte zum Ergebnis kommen, dass dem Interesse des Betroffenen der Vorrang gebührt vor der Meinungs- und Pressefreiheit. Dem trägt das Urteil des Landgerichts Düsseldorf Rechnung.

Die Entscheidung setzt einen weiteren Mosaikstein in die bisherige, höchst feinsinnig austarierte Rechtsprechung betreffend die Kollision von Persönlichkeitsrechten der Betroffenen gegen Meinungs- und Pressefreiheit der Presseorgane im Zusammenhang mit Berichterstattungen über laufende, abgeschlossene, oder mangels Tatverdachts eingestellte Ermittlungsverfahren. Wann sich das Schutzinteresse des Betroffenen gegen die Meinungs- und Pressefreiheit durchsetzt, hängt von vielen Faktoren ab. Zu prüfen ist etwa, ob eine erhebliche Breitenwirkung zu befürchten ist, oder ob das online-Archiv öffentlich zugänglich ist, oder das Presseorgan vorher im Wege der Abmahnung oder der bloßen Unterrichtung kontaktiert worden ist. Ob im Ergebnis ein Anspruch besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Prüfung ist für die Betroffenen aber in jedem Falle zu empfehlen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte ist zum OLG Düsseldorf in Berufung gegangen.